Der deutsche autor und spirituelle lehrer Werner Ablass erzählt von seiner 'bekehrung', Jesus und dem nichtdualen bewusstsein.
Du warst viele jahre prediger in einer pfingstgemeinde. Wie ist es dazu gekommen? Was hat dich an der bewegung anfänglich überzeugt?
Deren Ursprünglichkeit und Lebendigkeit, die sogenannten Geistesgaben (Zungenreden, Weissagung, Krankenheilung per Handauflegung, etc). Hier sah ich 'anfänglich' verkörpertes Urchristentum wie in der Apostelgeschichte.
Hast du als prediger nie gezweifelt, bzw. ab wann hast du begonnen deinen glauben kritisch zu hinterfragen?
Es war eine langsame Entwicklung über Jahre und Jahrzehnte. Es war mehr der Hunger nach Wahrheit als die Kritik an meinem Glauben, der meinen Standpunkt schließlich radikal veränderte. Zu vergleichen mit der Metamorphose von der Raupe zum Schmetterling. Je stärker sich mir die Wahrheit sozusagen 'aufdrängte', desto unglaubwürdiger und lächerlicher erschienen mir der christliche Glaube und die Religionen insgesamt.
Hattest du anfänglich schuldgefühle oder ängste deinen glauben loszulassen: "Was, wenn die bibel doch recht hat?!"
Nie! Denn ich sah die Systemimmanenz aller christlichen Glaubenssätze, die allein auf dem Glauben beruht, die Bibel sei Gottes Wort. Als dieser als völlig haltlos aufgeklärt war, konnte mich die Verdammnis, in die mich meine liebenswürdigen Brüdern und Schwestern schicken wollten, nicht mehr schrecken. Ich hätte mich vielmehr kringeln können vor Lachen über den Irrwitz solcher Drohungen.
Wie sieht die situation jetzt aus; glaubst du überhaupt noch irgendetwas? Gibt es 'sinnvolle glaubenssätze', oder zumindest 'nützliche'?
Dass man auf eisglatter Fahrbahn besser den Fuß vom Gas nehmen sollte, weil das Risiko eines Unfalls sonst steigt. Das wäre ein Glaubenssatz, den ich für nützlich halte und an den ich mich zumindest halte.
Haben christen eine so starke angst vor dem tod, dass sie ohne die hoffnung auf ein 'ewiges leben im paradies' das diesseitige leben nicht aushalten können?
Jeder Mensch, der glaubt der Körper zu sein, hat mehr oder minder große Angst vor dem Tod.
Was ist überhaupt der tod, bzw. was stirbt beim sterben?
Es gibt überhaupt keinen Tod. Es gibt nur den Anfang und das Ende einer Lebensgeschichte, die im Bewusstsein erscheint. Erkennt sich Bewusstsein als alles was ist, wird der Körper zwar gewürdigt und in all seinen Bedürfnissen und Vorlieben bzw. Abneigungen akzeptiert, ist jedoch nur ein Objekt unter vielen anderen Objekten, die kommen und gehen, erscheinen und wieder verschwinden.
Was geschieht bei einem 'born-again' erlebnis? Ist es einem 'erleuchtungs'-erlebnis gleichzusetzen?
Es gibt keine Erleuchtung. Es gibt nur Bewusstsein, das sich seiner selbst bewusst ist oder sich seiner unbewusst bleibt. Wird es sich seiner bewusst, muss es sich in vielen Fällen zunächst einmal durch den Dschungel und das heillose Gewirr der verschiedensten spirituellen Konzepte ringen. Dabei kann es sich beispielsweise in den perfiden Glauben verstricken eine Wiedergeburt erlebt zu haben.
Warum reitet das christentum so stark auf dem konzept der schuld herum?
Solange an den freien Willen geglaubt wird, wird es Schuld geben. Und die listige Priesterriege, die bereits Jesus zu seiner Zeit Schlangenbrut und Otterngezücht nannte, schlägt aus dem Schuldgefühl der Menschen von jeher Gewinn. Denken Sie einmal nach: Was wären die organsierten Religionen ohne Schuld und Vergebung: Unnützer noch als ein Kropf! Daher hat jede Religion die Latte so hoch gelegt und zwar insbesondere im Bereich der Sexualität. Weil sie weiß, dass sie niemand überspringen kann, nicht einmal die Kleriker selbst, wie die an die Öffentlichkeit gelangten zahllosen Missbrauchsfälle beweisen, kann sie die Schäflein an sich binden.
Was würdest du als 'wahr' an der bibel bezeichnen?
Einen Vers in Jesaja:
Ich bin der HERR, und sonst keiner mehr; kein Gott ist außer mir… der ich das Licht mache und schaffe die Finsternis, der ich Frieden gebe und schaffe das Übel. Ich bin der HERR, der solches alles tut.
(Jesaja 45: 5 + 7)
Ersetzt man das jüdisch-religiös gefärbte Wort "Herr", das eigentlich Jahwe oder Jehova bedeutet mit dem Begriff "Quelle", beweist dieser Vers, dass selbst gänzlich im dualistischen Denken gefangene Menschen wie die Schreiber der biblischen Schriften lichte Momente haben.
Was hat Jesus wirklich gemeint mit seinem berühmten "Ich bin der weg, die wahrheit und das leben, niemand kommt zum vater denn durch mich."?
Gute Exegese (Wissenschaft von der Bibelauslegung) beschäftigt sich zunächst mit dem Kontext. Und der weist eindeutig darauf hin, dass Jesus zu seinen Jüngern sprach und diese Aussage sogar nur gegenüber einem Jünger traf, nämlich Thomas, nachdem der ihn fragte: Herr, wir wissen nicht, wo du hin gehst; und wie können wir den Weg wissen? Wir wissen darüber hinaus, dass Thomas ein besonders skeptischer Jünger war. Wohl jeder erinnert sich an den bekannten Spruch vom "ungläubigen Thomas". Ihm gegenüber bedurfte es daher eines Wortes, das ihm klare Orientierung bot.
Nie und nimmer jedoch wollte Jesus sich zum einzigen Weg zu Gott erheben.
Diese grottenfalsche Interpretation ist die Ursache dafür, dass insbesondere fundamentalistische Christen noch immer andere spirituelle Wege ausschließen und sie sogar als Verführung Satans denunzieren. Jesus war ein hochkarätiger spiritueller Meister. Seine Absicht war es nicht, Menschen an sich als Person zu binden. Er wusste lediglich um das Prinzip, dass Menschen in den meisten Fällen eines Gurus (spirituellen Meisters) bedürfen, um zu ihrer Essenz zu finden.
Was ist von Jesus' angeblichem tod am kreuz und anschliessender wiederauferstehung zu halten?
Es gibt historische Quellen, die belegen, dass Jesus Christus tatsächlich gelebt hat. Sueton und Tacitus berichten von den ersten Christen und davon, dass diese ihren Ursprung bei einer Person namens "Chrestos" oder "Christus" hatten. Auch Plinius der Jüngere berichtet von der Ausbreitung christlicher Gemeinden. Der jüdische Gelehrte Flavius Josephus erwähnt auch, dass Jesus Wunder tat und von Pilatus zum Kreuzestod verurteilt wurde. Was wir ansonsten über ihn wissen, finden wie in den sogenannten Evangelien. Die entstanden jedoch höchstwahrscheinlich erst Ende des ersten, Anfang des zweiten Jahrhunderts nach Christus. Die Verfasser waren also vermutlich nicht jene, die Jesus folgten.
Ist Jesus am kreuz gestorben?
Es gibt eine Reihe von Hinweisen, Jesus sei nicht am Kreuz gestorben und daher natürlich auch nicht auferstanden, sondern nach der Grablegung nach Kaschmir aufgebrochen und dort begraben worden. Ich für meinen Teil glaube weder dem neutestamentlichen noch anderen Berichten. Sie sind für mich heute alle völlig irrelevant, denn die absolute Wahrheit ist in keiner Person zu finden. Nur eins ist offensichtlich: Menschen machten aus Jesus, einem spirituellen Meister, der offenbar auch als Heiler wirkte, einen Superstar, der er sicher nicht war und auch nicht sein wollte. Alle Stars, ob in der heiligen oder unheiligen Szene werden von Menschen gemacht. Sieht man hinter die Kulissen, erscheint immer ein Mensch mit Stärken und Schwächen.
Jeder Mensch ist in Wahrheit Gott, nicht nur Jesus. Er hat sich im Unterschied zu den meisten Menschen lediglich als solcher realisiert. Daher konnte er sagen: Ehe Abraham ward, bin ich! Hierin folge ich Jesus noch heute und ermutige Sie das Gleiche zu tun: Realisieren Sie Ihre wahre Natur, anstatt lebenslang an einem Realisierten kleben zu bleiben, der lediglich auf sie verweist.
Was ist denn gott überhaupt? Und was der teufel?
Gott und Teufel sind äußerst banale, beinahe kindische Erklärungsversuche für die Existenz des Guten und Bösen. Die Erscheinung des Guten und Bösen ist jedoch schlicht unvermeidbar. Allein der Begriff Gut macht nur Sinn im Kontext mit dem Begriff Böse. Licht kann nur auf einem dunklen Hintergrund erscheinen. Zur Manifestation dieser wunderbaren und schrecklichen Welt bedarf es der Dualität. Sonst könnte gar nichts erscheinen. So einfach ist es, um sowohl Gott als auch den Teufel dort zu belassen, wo diese Figuren hingehören: Ins Reich der Märchen.
(c) Interview: ultrafeel.tv – Publikation nur mit verlinkung auf die keywords "Werner Ablass: Vom Christlichen Fundamentalisten Zu Nicht-Dualem Bewusstsein". Photos: Publikation nur mit schriftlicher genehmigung von Werner Ablass.
Werner Ablass ist Lehrer des non-dualen Bewusstseins. Er ist der auch als Autor und Verleger und Business-Coach tätig. Werner wurde im August 1949 in der Oberpfalz geboren und wuchs im Allgäu auf. Nach einer tiefgreifenden spirituellen Erfahrung in seinem 18. Lebensjahr wirkte er bis 1986 als Prediger in bibelgläubigen Kreisen. Danach konzentrierte sich der Autodidakt auf seine Karriere und war sieben Jahre im Management eines internationalen Unternehmens tätig. 1994 machte er sich als Business-Coach erfolgreich selbständig. 2000 endete eine dreijährige Ausbildung zum NLP-Master.
2003 erschien Ablass' erstes Buch 'Leide nicht – liebe', welches ein Bestseller wurde. Im Juli 2004 begegnete er dem Advaita-Meister Ramesh Balsekar in Mumbai. Währenddessen ging seine über 40 Jahre währende Suche nach der absoluten Wahrheit zu Ende. Mit überwältigender Klarheit realisierte er, daß es zwar Taten gibt, jedoch keinen Täter. Seitdem sind sechs weitere Bücher von ihm erschienen, die in der Hauptsache um dieses Thema kreisen. Neben seiner Tätigkeit im Business-Coaching wirkt er gegenwärtig als Autor und Coach seiner Leser und Schüler in Zabergäu unweit von Heilbronn.
Als Coach arbeitet er vorrangig mit Menschen, die sich aufgrund seiner Publikationen angezogen fühlen und Einzelcoaching wünschen. Seminare finden in der Schweiz und Deutschland statt.
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