Glück (Von Stefan Eigenmann)

Tuesday, 6 March 2012

Marienkäfer wünschen viel Glück! (Pic: Pixelio.de)Stefan Eigenmann's Gedanken über Glück.

Meine Frau fragt mich manchmal, ob ich glücklich sei. Diese Frage, die ich nicht einfach nur als Frage verstehe, hat es in sich. „Sehe ich so aus?“, frage ich zuweilen zurück. Oder, um die Aufmerksamkeit elegant von mir abzuwenden: „Was lässt dich fragen?“ Praktisch immer meldet sich auch eine mir vertraute, misstrauische innere Stimme: „Deine Frau will, dass Du glücklich bist.“ Als misstrauisch beschreibe ich mich deshalb, weil ich die Frage nach dem Glücklichsein als Appell höre: „Sei glücklich!“ Als Folge davon meldet sich dann prompt und unverblümt mein innerer Kritiker: „Du meine Güte, bist du wieder kompliziert!“

Streben nach Glück
Wir Menschen richten unsere Lebensführung darauf aus, glücklich zu sein, nicht selten ein Leben lang. Unzählige Ratgeber, Programme und Anleitungen etc. wollen uns erklären, welche Schritte wir befolgen müssen, um glücklich zu werden und zu bleiben. Viele von uns suchen ihr Glück in der materiellen Welt. Schliesslich macht Geld nicht zwangsläufig unglücklich, und soziales Prestige und berufliche Anerkennung lassen einen nicht kalt, da nehme ich mich nicht aus. Stolz und Freude scheinen wesentliche Zutaten von Glück zu sein. Allein, wie nährend wirkt sich das Glück, nach dem wir draussen in der Welt streben, in unseren Herzen und in unserer Seele aus?

In der zweiten Lebenshälfte angekommen, beginnen viele Menschen den Blick auf das Leben mehr und mehr nach innen zu richten. Das ist typisch. Das gilt auch für die Behauptung, der Übergang vom Sommer in den Herbst des Lebens – die Frauen mögen den Begriff Herbst durch Spätsommer ersetzen – werde naturgemäss als krisenhaft erlebt. Meine in diesem Zusammenhang kindlich gefärbte Neugierde gilt der Frage, ob es wohl einen Raum in uns gibt, in dem wir uns glücklich fühlen können, egal was draussen in der Welt geschieht. Doch woran würde ich überhaupt erkennen, dass ich mich in diesem Raum befinde? Etwa am Geschmack von Frieden mit mir, so wie ich bin und mit dem, was ist?

Was könnten Sie tun – spielerisch und paradox gefragt –, um ein bisschen unglücklicher zu werden? Oder anders herum: Wie reduzieren Sie Ihr Glück. Wahrscheinlich denken Sie jetzt, ich sei völlig meschugge. Nun, ich will Sie nicht dazu anleiten, Ihr neues Auto in den Graben zu fahren oder Ihre guten Beziehungen mutwillig zu zerstören. Gleichwohl hilft es Ihnen weiter, wenn Sie Ihren inneren Saboteur kennen (lernen), der – aus welchen Gründen auch immer – danach trachtet, Sie vom Glücklichsein abzuhalten. Eine weit verbreitete Methode besteht zum Beispiel darin, sich zu hohe Ziele zu setzen. So können wir uns bestätigen, es im Leben nicht zu schaffen.

Kein Glück ohne Unglück
Eine bekannte Psychotherapeutin hatte einmal in einem Interview auf die Frage nach dem Glücklichsein geantwortet: „Ich weiss nicht, was Glück ist. Zufrieden sein, glücklich sein, reich sein im Sinne von lustvoll das Leben erleben. Aber Glücklichsein schliesst immer aus, dass man auch unglücklich sein darf. Und mir ist die Balance zwischen Glück und Unglück wichtig, zwischen Positivem und Blicken in den Abgrund.“ Diese Worte machen nüchtern und Mut, finde ich. Übrigens, die eingangs erwähnte Frage meiner Frau beantworte ich gelegentlich auch mit einem schlichten Ja. Zum Glück!


Stefan EigenmannStefan Eigenmann, geb. 1960, in 2. Ehe verheiratet, arbeitet in Bülach (CH) seit 2003 freiberuflich als Einzel-, Paar- und Sexualberater. In seiner 'Werkstatt für Kontakt & Dialog' begleitet er Einzelne, Paare, Familien und Gruppen in Krisen- und Konfliktsituationen sowie in Entwicklungs- und Veränderungsprozessen. Mehr auf Kontaktdialog.ch

Seine Kolumnen die ab  2007 im 'Tages-Anzeiger' (Zürcher Unterland) erschienen, wurden im Januar 2012 in seinem Stefan's erstem Buch 'Liebe, Lust und Stolpersteine' beim C.F.Portmann-Verlag in Erlenbach veröffentlicht.

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